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Künstliche Intelligenz (KI) auch im Fußball auf dem Vormarsch

Datenanalysen und KI-gestützte Systeme gewinnen im Profifußball zunehmend an Bedeutung – und auch im Amateurbereich hält die Technologie Einzug. Professor Dr. Dr. René Riedl, Experte für Digitalisierung und Leiter des Studiengangs Digital Business Management, einem Studium der FH OÖ und der Universität Linz, gibt im Interview mit Ligaportal.at spannende Einblicke in die Welt der Fußball-Analytics. Er erklärt Chancen, Risiken und ethische Aspekte und zeigt auf, wie moderne Tools den Sport verändern – ohne dabei den menschlichen Faktor zu vernachlässigen.

Futuristisches Bild eines Fußballspielers

Ligaportal: Guten Tag, Professor Riedl. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben. Als Leiter des gemeinsamen FH OÖ und Uni Linz Studiengangs Digital Business Management (DBM) forschen Sie an vielen Digitalisierungsthemen, seit einiger Zeit auch im Bereich der Fußball-Analytics. Können Sie uns kurz erläutern, was Fußball-Analytics genau ist und welche Bedeutung es im modernen Fußball hat?

René Riedl: Sehr gerne. Fußball-Analytics bezeichnet die Sammlung, Analyse und Interpretation von Daten im Fußball. Dabei geht es primär um die Leistungsanalyse von Spielern, die taktische Auswertung von Spielen sowie die Vorhersage von Ergebnissen und Spielerentwicklungen. Insbesondere in den letzten Jahren hat sich dieser Bereich im Profifußball stark weiterentwickelt und findet zunehmend Anwendung, aber auch im Amateurfußball gewinnt die Thematik verstärkt an Relevanz.

Ligaportal: Welche Vorteile sehen Sie speziell im Profifußball durch den Einsatz von Analytics?

René Riedl: Die Vorteile sind vielfältig. Einerseits ermöglicht Analytics eine detaillierte Leistungsbewertung einzelner Spieler. Trainer können basierend auf Daten präzisere Entscheidungen treffen, sei es bei der Mannschaftsaufstellung oder bei taktischen Anpassungen. Darüber hinaus können Verletzungsrisiken durch physische Belastungsanalysen minimiert werden. Zudem bieten Vorhersagemodelle eine bessere Gegneranalyse und damit eine gezieltere Spielvorbereitung. Analytics bietet auch die Möglichkeit, Trends frühzeitig zu erkennen, etwa wenn ein Spieler in eine Formkrise geraten könnte oder eine gegnerische Mannschaft bestimmte Schwächen zeigt.

Ligaportal: Gibt es auch Nachteile oder Risiken, wenn man sich zu stark auf Daten verlässt?

René Riedl: Absolut. Eine der größten Herausforderungen ist die Kontextualisierung der Daten. Fußball ist ein sehr dynamisches und komplexes Spiel, bei dem Zahlen allein nicht immer die ganze Geschichte erzählen. Wenn man sich zu stark oder vielleicht sogar ausschließlich auf Statistiken verlässt, kann dies zu Fehlinterpretationen führen. Zudem besteht die Gefahr, dass die menschlichen Faktoren, wie Teamdynamik oder individuelle Intuition, vernachlässigt werden. Ein weiteres Problem ist die Datenqualität. Wenn die Erfassung von Daten fehlerhaft ist, folgen daraus oftmals falsche Schlussfolgerungen. Außerdem kann die übermäßige Datenflut die Trainer und Analysten überfordern.

Ligaportal: Wie sieht die Anwendung von Fußball-Analytics im Amateur- und Hobbybereich aus? Gibt es dort ebenfalls Vorteile?

René Riedl: Im Amateurbereich bieten einfache Analysetools die Möglichkeit, die eigene Leistung besser zu verstehen und gezielt zu verbessern. Für Trainer kann die Auswertung von Faktoren wie Bewegungsmuster, Laufleistung oder Passgenauigkeit wertvolle Hinweise für das Training geben. Allerdings sind hier die technischen Möglichkeiten und das Budget häufig eingeschränkt, was die Umsetzung erschwert. Trotzdem gibt es auch hier Innovationen, die ständig weiterentwickelt werden, wie beispielsweise tragbare GPS-Systeme, die kostengünstig die Laufleistung und Bewegungen erfassen. Diese Daten können für die Trainingsplanung und Spielanalyse nützlich sein. Aktuell haben wir dazu im Zuge der Erstellung einer Masterarbeit eine Online-Umfrage laufen, bei der es um die Bekanntheit und Akzeptanz von KI-gestützten Tools zur Datenanalyse unter Trainern und Funktionären im Amateurbereich geht.

An der Online-Umfrage teilnehmen – Dauer ca. 5 Minuten


Ligaportal: Welche ethischen Überlegungen spielen bei der Nutzung von Fußball-Analytics eine Rolle?

René Riedl: Ein wichtiges Thema ist der Datenschutz. Ich spreche hiermit insbesondere die Verarbeitung personenbezogener Daten der Spieler an. Die Veröffentlichung sensibler Daten wie jene zu Verträgen, Marktwerten, Physiologie oder Gesundheitszustand kann problematisch sein. Außerdem könnte ein übermäßiger Fokus auf Daten die menschliche Komponente im Fußball verdrängen. Die Herausforderung besteht darin, eine Balance zwischen technologischer Unterstützung und dem Erhalt der sportlichen Integrität zu finden.

Ligaportal: Wie ist der aktuelle Stand der Forschung im Bereich Fußball-Analytics? Gibt es besonders interessante Entwicklungen?

René Riedl: Ein großer Trend ist die Kombination von Videoanalyse mit datenbasierten Algorithmen, um beispielsweise die Raumaufteilung und Spielzüge automatisiert zu erkennen. Künstliche Intelligenz (KI), insbesondere Machine Learning, spielt hierbei eine zunehmend wichtige Rolle. Auch die Individualisierung von Trainingsplänen auf Basis von Echtzeitdaten ist ein spannendes Forschungsfeld. Besonders interessant ist die Verwendung von Sensordaten, die beispielsweise die Muskelbelastung oder Ermüdungserscheinungen in Echtzeit messen können. Dies könnte in der Prävention von Überlastungsverletzungen eine Schlüsselrolle spielen.

Ligaportal: Was sind Ihrer Meinung nach die nächsten großen Schritte in der Fußball-Analytics-Forschung?

René Riedl: Ich denke, die Personalisierung wird weiter voranschreiten. Wir werden Algorithmen sehen, die nicht nur die Mannschaftsleistung, sondern auch die individuelle Spielweise berücksichtigen. Außerdem könnte die Integration von kognitiven Daten, wie Stresslevel und Konzentrationsfähigkeit, die Analysen noch tiefgehender machen. In der Zukunft könnten Systeme entwickelt werden, die automatisch erkennen, wann ein Spieler mentale Erschöpfung zeigt, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten. Ein weiteres Forschungsfeld ist die automatische Taktikerkennung, die in Echtzeit Vorschläge für Spielumstellungen machen könnte.

Ligaportal: Wird in Ihrem Studiengang Digital Business Management aktuell die Thematik Fußball-Analytics beforscht?

René Riedl: Ja. Bemerkenswert ist, dass seit einigen Jahren sich auch immer mehr Studierende unseres berufsbegleitenden Studiengangs für die Digitalisierung im Sport und insbesondere im Fußball interessieren. Dies macht sich unter anderem bei den bearbeiteten Masterarbeitsthemen bemerkbar. Verwunderlich ist dies nicht, denn wir fokussieren ganz grundsätzlich im Studiengang auf das wirtschaftliche Potenzial des Einsatzes von Digitaltechnologien, und wie wir alle wissen macht der Einsatz von Technologien keinen Halt vor dem Sport und schon gar nicht vor Sportarten, wo viel Geld im Spiel ist wie im Fußball.

Ligaportal: Herzlichen Dank für das Gespräch, Professor Riedl. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Forschung.

René Riedl: Vielen Dank, es war mir eine Freude.
 

An der Online-Umfrage teilnehmen – Dauer ca. 5 Minuten

 

Prof. Dr. Dr. René Riedl

Prof. Dr. Dr. René Riedl, 48 Jahre, leitet den Masterstudiengang Digital Business Management, ein gemeinsames berufsbegleitendes Studienangebot der FH OÖ Campus Steyr und der Johannes Kepler Universität Linz. Er ist promovierter Wirtschaftsinformatiker und Psychologe und wirkte neben seinen akademischen Aktivitäten an österreichischen Hochschulen unter anderem auch an der Harvard University in Boston und an der Universität Montréal. René Riedl war selbst begeisterter Fußballer und spielte im Unterhaus für den SV Garsten, SK Amateure Steyr, SV Gmunden und den SK Bad Wimsbach, bei Vorwärts Steyr kam er in den 1990er Jahren auch zu einigen Einsätzen in der Österreichischen Bundesliga und im UEFA Intertoto Cup.