Beim FC Union Steinerkirchen fällt die Herbstbilanz in der 1. Klasse Ost ernüchternd aus: Nur ein Punkt, lediglich neun erzielte Tore und ein Tabellenplatz, der keine andere Beschreibung zulässt als „abgeschlagen“. Doch im Gespräch mit dem sportlichen Leiter, Gerald Dickinger-Neuwirth, wird rasch klar, dass die Lage komplexer ist als eine nackte Tabelle vermuten lässt – und dass Steinerkirchen im Winter einen tiefgreifenden, klar strukturierten Neustart anstrebt.
Dickinger-Neuwirth betont, dass der schwache Herbst keineswegs allein auf die Abgänge offensiver Schlüsselspieler zurückzuführen ist. Zwar schmerzte der Verlust jener Angreifer, die in den vergangenen Jahren regelmäßig getroffen hatten – allen voran Thomas Gasperlmair – doch die Probleme lagen tiefer. Bereits im Sommer fielen zwei Stammkräfte mit Kreuzbandriss und einer hartnäckigen Entzündung aus, beide standen während des gesamten Herbstdurchgangs nicht zur Verfügung. Dazu kam eine Torhüter-Situation, die sehr herausfordernd war. Vom etatmäßigen Schlussmann Stefan Herbst trennte man sich. In der Folge stand Steinerkirchen zeitweise mit einem 15-jährigen Tormann am Feld, im letzten Match musste sogar der Kapitän ins Tor, weil schlicht keine Alternative mehr zur Verfügung stand.
Auch die Routine fehlte: In mehreren Spielen lag der Altersdurchschnitt der Startelf knapp über 20 Jahren. Talent ist reichlich vorhanden, aber Erfahrung lässt sich nicht ersetzen – das wurde in vielen engen Partien deutlich. Chancen erspielte sich die Mannschaft durchaus, doch in der entscheidenden Zone fehlte das Selbstverständnis, während man auf der Gegenseite zu leicht Treffer kassierte. Dass man dennoch mehrfach gegen Spitzenteams auf Augenhöhe agierte, bestätigt für Dickinger-Neuwirth, dass das Fundament stimmt – aber eben vieles gleichzeitig gegen den Verein lief.
Nach acht Runden zog der Klub die Reißleine und trennte sich von Trainer Marcus Esser. Von der menschlichen Seite her hätte man gerne mit ihm weitergemacht, sportlich gab es jedoch kaum Argumente, um den Kurs unverändert fortzuführen. Dickinger-Neuwirth übernahm interimistisch selbst, um der Mannschaft einen neuen Ansatz zu geben. Die spielerischen Leistungen waren großteils in Ordnung. Am Ende fehlte schlicht die Abgeklärtheit in den entscheidenden Momenten.
Der Winter wird in Steinerkirchen bewusst als Wendepunkt genutzt. Dickinger-Neuwirth erklärt, dass mit jedem einzelnen Spieler das Gespräch gesucht wird. Man wolle klären, wer dem Weg in den nächsten eineinhalb Jahren folgen kann und will und wer nicht zum Anforderungsprofil passt. Es gehe nicht um Talent allein, sondern um Charakter, Belastbarkeit und die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen. Spieler, die zwar fußballerisch stark sind, aber nicht zum Umfeld oder zum Anforderungsbild passen, werden wohl nicht bleiben.
Parallel dazu arbeitet der Verein intensiv an gezielten Verstärkungen. Sowohl in der Defensive als auch im Angriff müssen erfahrene Kräfte dazukommen, damit die junge Mannschaft bessere Orientierung bekommt. Auch die Torhüterposition wird neu besetzt – die Ereignisse des Herbstes hätten klar gezeigt, dass in diesem Mannschaftsteil Stabilität unerlässlich ist. Ein neuer Cheftrainer soll ebenfalls installiert werden. Dickinger-Neuwirth war als Sofortlösung gefragt, sieht sich aber langfristig nicht in dieser Doppelrolle. Die Gespräche seien fortgeschritten, heißt es.
Trotz des großen Rückstands will Steinerkirchen im Frühjahr keineswegs den Kopf in den Sand stecken. Der Klassenerhalt bleibt das erklärte Ziel. Der sportliche Leiter betont, dass die Liga extrem ausgeglichen sei und man in fast jedem Spiel konkurrenzfähig war. Deshalb wolle man aktiv angreifen, vom ersten Spiel an Punkte sammeln und am Ende einfach sehen, wo man landet. Gleichzeitig plant der Verein bewusst zweigleisig: Sollte der Abstieg unvermeidlich sein, wäre das kein Drama. Das junge Team könne auch in der 2. Klasse reifen, wichtige Schritte setzen und sich mittelfristig wieder nach oben arbeiten.
Die Mannschaft steigt Mitte Jänner in die Vorbereitung ein. Das Trainingslager führt Steinerkirchen in den Semesterferien nach Ungarn, wo der Grundstein für ein deutlich verbessertes Frühjahr gelegt werden soll. Der Verein erwartet nicht, dass sich über Nacht alles dreht – aber die Basis, um wieder stabiler und zielgerichteter aufzutreten, soll im Winter geschaffen werden.