In den vergangenen drei Jahren hatte der SV Chemie Linz spätestens zu Meisterschaftsende in der 2. Klasse Mitte presented by HDI stets die ungeliebte rote Laterne inne. Dass die „Chemiker“ eine Spielzeit auf einem einstelligen Tabellenplatz beenden konnten, liegt sogar schon acht Saisonen zurück. Heuer schien die Leistungskurve beim „ewigen“ Nachzügler allerdings endlich spürbar nach oben zu zeigen. Zwar verlor die Bachmaier-Elf zum Auftakt gegen die ASKÖ Ebelsberg knapp mit 0:1, danach holte sie jedoch gegen die ASKÖ Neue Heimat und den ATSV St. Martin zumindest einen Punkt. In Runde vier gelang dem SV Chemie schließlich nun gegen die bis dato noch ungeschlagene Union Puchenau der ganze große Wurf. Nach einem Treffer von Kevin Kaiser gleich zu Beginn und einem unglücklichen Eigentor von Lukas Aufreiter in der 67. Minute sorgten die „Chemiker“ mit einem 2:1-Heimsieg über den Vorjahresfünften für die bislang größte Sensation im laufenden Bewerb. Für die Linzer war es der erste „Dreier“ seit 16 Spielen.
Der SV Chemie musste in dieser Begegnung auf seine etatmäßige Nummer eins im Tor Robert Wagner aufgrund einer Sperre verzichten, was eigentlich ein schlechtes Vorzeichen für den ersten vollen Erfolg der Linzer seit zehn Monaten war. Der routinierte Schlussmann, der in dieser Spielzeit bisher mit starken Paraden seinen zweiten Frühling erlebte, bekam sehr zum Ärger seines Trainers Jürgen Bachmaier für eine angebliche Tätlichkeit in der Partie gegen den ATSV St. Martin vom oberösterreichischen Fußballverband eine satte drei Spiele dauernde Pause aufgebrummt: „Für einen harmlosen Stoß, den der Schiedsrichter selbst in seinem Bericht als leichten Schlag auf die Schulter festhielt, solch ein Strafmaß anzulegen, halte ich für völlig überzogen, zumal der Trauner Spieler, der die Reaktion ausgelöst hatte, mit einer gleichlangen Sperre davonkam. Zukünftig werde ich mir das Besuchen solcher Verhandlungen wohl ersparen, handelt es sich offenbar doch um eine sinnlose Zeitverschwendung.“ Da die Linzer bereits mit Lukas Berger einen talentierten Torwart in der Sommerpause an Ligakonkurrent ASKÖ Dionysen verloren hatten, mussten die „Chemiker“ für das Duell gegen die Union Puchenau schon besonders tief in der Schatzkiste wühlen, um einen geeigneten Kandidaten für den Job zwischen den Pfosten zu finden. Letztendlich stellte sich der ehemalige Trainer des SV Chemie Helmut Wimmer zur Verfügung. Der reaktivierte 44-jährige Torhüter sollte sich als echter Glücksgriff erweisen.
Dem Außenseiter aus Linz gelang gegen die klar zu favorisierenden Puchenauer ein wahrer Auftakt nach Maß. In der 5. Minute konnte Gäste-Keeper Stefan Stangl einen Schuss von Mamadou Diallo nur kurz abwehren, woraufhin Kevin Kaiser mit dem Kopf zur Stelle war, um den Abpraller zu verwerten. Der frühe Treffer sorgte bei der Heim-Mannschaft für genügend Selbstvertrauen, um in weiterer Folge der Union Puchenau in der ersten Hälfte ein Duell auf Augenhöhe zu liefern. In der 25. Minute waren es abermals die „Chemiker“ die den Ball ins Tor bugsierten, dieses Mal jedoch ins eigene. Brane Padjan, der trotz bevorstehender Nasen-OP aktuell die Zähne für den SV Chemie zusammenbeißt, lenkte das Leder unglücklich ins eigene Gehäuse ab. Als offizieller Torschütze festgehalten wurde jedoch Puchenaus Torjäger Georg Eckmayr. Kurz darauf hätte die Union Puchenau dann beinahe das Spiel komplett gedreht, jedoch hatten die Gäste bei einem Lattenschuss von Matthias Müller nach einem Freistoß Pech. So verabschiedeten sich schließlich beide Teams mit dem Zwischenstand von 1:1 in die Pause.
Auch nach dem Seitenwechsel konnten die Linzer gegen ihren von der Papierform her deutlich höher eingeschätzten Gegner die Begegnung lange offen halten. In der 67. Minute führten die Hausherrn dann einen Freistoß schnell aus, um einen Angriff über die Seite zu forcieren. Die Hereingabe vom Flügel von Kevin Kaiser landete schließlich bei Puchenau-Innenverteidiger Lukas Aufreiter, der ungewollt seinen eigenen Torhüter Stefan Stangl überlistete und so für das 2:1 sorgte. Die Sensation lag danach endgültig in der Luft. So schnell wollten sich die Puchenauer jedoch nicht geschlagen geben. Die Zechmeister-Elf, die über weite Strecken relativ ideenlos wirkte, hatte in der 85. Minute durch Georg Eckmayr die große Chance auf den Ausgleich. Nach Doppelpass mit Paul Sihorsch jagte der Stürmer alleine vor dem gegnerischen Schlussmann das Spielgerät jedoch in die Wolken. Mit der letzten Aktion im Spiel beförderte der Kapitän der Gäste Stefan Stangl mit einem weiten Abschlag den Ball nochmals in den Strafraum der Heimischen. Im anschließenden Getümmel ging ein Puchenauer zu Boden, was heftige Elfmeterforderungen zur Folge hatte. Schiedsrichter Raif Besic entschied sich gegen einen Strafstoß und so war das Wunder am Ende perfekt.
Die Freude beim SV Chemie und ihrem Trainer Jürgen Bachmaier war nach diesem Überraschungscoup verständlicherweise groß. „Dieses Erfolgserlebnis hat sich meiner Meinung nach bereits in den letzten Wochen abgezeichnet. So waren wir schon zuletzt gegen den ATSV St. Martin klar spielbestimmend. Wir haben auch gegen die Union Puchenau erneut mithalten können, was ein weiterer Beleg dafür ist, das es schön langsam mit kleinen Schritten bei uns bergauf geht. Wichtig war, dass wir in der Transferzeit bis auf Torhüter Lukas Berger den Kern der Mannschaft zusammenhalten konnten. Mit der Zeit konnte sich so etwas bei uns entwickeln. Dass der SV Chemie das letzte Mal in der Tabelle einen einstelligen Platz belegt hat, muss wohl schon eine Ewigkeit zurückliegen.“