Admiral Frauen Bundesliga

SPEZIELL für das Ligaportal: Ex- ÖFB Cheftrainerin Irene Fuhrmann im ausführlichen Gespräch!

Die historisch erste Teamchefin des ÖFB-A-Teams nimmt im folgenden Interview zu ihrer aktuellen Tätigkeit, der EM 2025, Entwicklungen im österreichischen Frauenfußball, Legionärinnen-Problematik… usw. Stellung:

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Ligaportal: „Irene, was hast Du seit Deinem Abschied vom A-Team in Angriff genommen, in welcher Funktion bist Du aktuell im Weltfußball tätig?

Irene Fuhrmann: „Ich bin seit April 2025 selbstständig und darf unter anderem in unterschiedlichen Projekten der UEFA mitarbeiten. Einerseits agiere ich als Mentorin für junge talentierte Trainerinnen in Europa, andererseits als Technische Instruktorin, begleiten den Austausch mehrerer Verbände im Rahmen von UEFA Share Programmen, oder helfe auch als Technische Beobachterin mit, technisch-taktische Analysen zu erstellen, wie bei der EM der Frauen im Juli, sowie in der UEFA Women`s Champions-League. Außerdem durfte ich mich auch schon als Gastexpertin und Co-Kommentatorin bei SKY Sports Austria ausprobieren oder für die UEFA bei Kongressen referieren.

Durch meine langjährigen Erfahrungen in einer Führungsposition, bin ich aber auch für diverse Firmen interessant, um über Leadership Qualitäten, Motivation, Zusammenarbeit im Team oder auch Resilienz, Umgang mit Druck und Niederlagen zu sprechen und darf ihren Führungskräften meine persönlichen Perspektiven mitgeben. Speziell mein Werdegang und mein Weg als Frau in einer männerdominierten Sportart ist auch für diverse Frauen-Netzwerke im Austausch von großem Interesse.

Das Schöne daran ist, dass die Anfragen, die an mich herangetragen werden, sehr unterschiedlich sind und ich so viele neue Erfahrungen sammeln kann und diese Abwechslung auch genieße. So waren auch schon Trainingseinheiten mit Nachwuchsteams, vor allem mit Mädchen, gefragt“.

Du warst also bei der Europameisterschaft in der Schweiz als „ Technische Beobachterin der UEFA“, tätig, was waren die größten Überraschungen für Dich, fußballtechnischer Natur?

„Es war fantastisch, einfach genial, zu sehen, dass diese EM in der Schweiz, neuerlich nicht nur mehrere Rekorde gebrochen hat, sondern dass auch auf allen sportlichen Ebenen eine Weiterentwicklung (bis auf die schlechte Quote beim Strafstoßschießen!) stattgefunden hat. Überrascht haben mich, zumindest zum Teil die Newcomer (Wales, Polen), die Anzahl an jungen Talenten, die aufgezeigt haben und die taktische Flexibilität vieler Teams, auch während den Spielen, vom System oder der Herangehensweise Veränderungen vornehmen zu können. Die Spitze ist zusammengerückt, dies zeigen die, in diesem Ausmaß noch nie dagewesenen, Verlängerungen in der K.O.-Phase“.

Mit welchen Ereignissen verbindest Du Deine schönsten Erinnerungen an Deine Tätigkeit beim ÖFB?

„Klarerweise waren die besonders positiven Ereignisse die EM 2017 und die EM 2022! Wobei jede Europameisterschaft für sich mit unvergesslichen Momenten immer einen großen Stellenwert einnehmen werden. Aber in Summe bin ich einfach dankbar, dass ich diesen einzigartigen Zusammenhalt, wenn das WIR über dem ICH steht, sehr lange miterleben und mitgestalten durfte“.

Verfolgst Du derzeit noch die Entwicklung des Frauenfußballs in Österreich?

„Natürlich verfolge ich den österreichischen Frauenfußball weiterhin, immerhin war ich seit dem Jahr 2000 involviert in die Entwicklungen, zuerst als Spielerin, ab 2008 dann als Trainerin. Auch wenn ich nicht mehr so regelmäßig auf den Plätzen anzutreffen bin, unterstütze ich v.a. bei den internationalen Spielen die österreichischen Vereine von der Tribüne aus und streame mich durch diverse Ligen, um die Wege unserer Legionärinnen, speziell der Jungen oder auch Rekonvaleszenten zu verfolgen“.

Das ÖFB-A-Team kann sich noch über das Tschechien-Doppel den Verbleib in der Top-Liga A der Nations-League sichern, wie schätzt Du die Chancen realistisch ein?

„Ich bin überzeugt, dass unser Frauen-Nationalteam das Potential hat, diese Hürde zu nehmen und den Verbleib in der LIGA A realisieren kann. Wichtig wird sein, dass möglichst viele Teamspielerinnen fit und gesund sind, dann sind „wir“ gut genug aufgestellt, um bestehen zu können und somit eine etwas bessere Ausgangsposition für die bevorstehende WM-Qualifikation zu haben“.

Welchen Blickwinkel hast Du durch Dein intensives internationales Engagement im Frauenfußball auf den österreichischen Spitzenfußball, wo ortest Du die meiste „Luft nach oben“?

„Die letzten Jahre habe ich es immer betont und ich bleibe dabei, der größte Unterschied liegt in der Breite. Die Kadertiefe hat sich zwar in Österreich definitiv verbessert im Vergleich zu den Vorjahren, aber wir haben deutlich weniger Fußballerinnen in Summe, um aus einem stabilen Fundament zu schöpfen und den Anschluss an die internationale Spitze konstant halten zu können. Weiters braucht es eine stetige Professionalisierung auf den unterschiedlichsten Ebenen, um das gesamte Potential des österreichischen Frauenfußballs auszuschöpfen“.

In der 1. Deutschen Bundesliga sind mittlerweile mit Lisa Kolb, Annabel Schasching und Claudia Wenger auch 3 Oberösterreicherinnen engagiert, traust Du Talenten wie Almedina Sisic oder Isabel Aistleitner auch den Sprung in die deutsche Top-Liga zu?

Alemdina hat in unseren Nachwuchs-Nationalteams mit ihrer Torgefährlichkeit bewiesen, dass sie einen gewissen Torriecher hat, genau solche Offensivspielerinnen sind gefragt, noch dazu als Linksfuß. Dennoch wäre die deutsche Bundesliga jetzt noch zu früh, vielleicht auch, weil meinen Beobachtungen nach, im physischen Bereich noch viel Luft nach oben ist. Almedina hat mit ihrem Wechsel zu Austria Wien aber sicher einen sehr positiven Schritt für ihre Weiterentwicklung gesetzt“.

Isa (Aistleitner)hat sich erst vor kurzem von ihrer schweren Knieverletzung erholt, hat aber auch mit ihrem Vereinswechsel zum SKN St. Pölten ein klares Signal gesetzt, sich selbst auf dem nächsten Level zu fordern. Wenn Isabel gesund und fit bleibt und viele Einsatzminuten national wie international beim SKN sammeln kann, dann denke ich schon, dass sich auch für sie Möglichkeiten ergeben können, in den nächsten Jahren“.

Heuer sind insgesamt 26 Legionärinnen aus Österreich in der Google Pixel Frauen-Bundesliga tätig, so viel wie noch nie zuvor, ist das Leistungsniveau in Österreich gestiegen oder ist es leichter geworden, draußen „anzudocken“?

„Die deutsche Bundesliga hat durch die Ligen in England, Frankreich, Italien und den USA große Konkurrenz hinsichtlich Attraktivität und Verdienstmöglichkeiten bekommen. Hinzu kommt, dass in diesem Jahr die Google Pixel Frauen-Bundesliga erstmals mit 14 Teams ausgetragen wird, die sich mit breiteren Kadern für diese Saison gerüstet haben. Die österreichische Liga entwickelt sich langsam, aber stetig, es wird ausgeglichener, aber unsere besten Talente stehen irgendwann an und wählen meist deshalb dann den Schritt ins Ausland. Deutschland hat überwiegend professionellere Strukturen und ein höheres Leistungsniveau innerhalb der Teams, wodurch die Österreicherinnen ihre nächsten Entwicklungsschritte gehen können. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass die sprachliche Barriere wegfällt“.

Umgekehrt nimmt die Zahl der Legionärinnen bei uns jetzt neben der ADMIRAL-Frauen-Bundesliga auch in der 2. Frauen-Bundesliga enorm zu, besteht nicht die Gefahr, dass die größten inländischen Talente auf der Strecke bleiben?

„Ich habe keine genauen Zahlen vorliegen. Vom Gefühl her glaube ich aber nicht, dass die Verdrängung unserer Talente bereits stattfindet. Es ist aber sicher so, dass man diese Entwicklungen genau unter die Lupe nehmen und beobachten muss und andernfalls gegensteuern sollte. Tendenziell würde ich annehmen, dass wir tatsächlich zu wenige Spielerinnen für 22 Vereine haben, die Österreichweit antreten und viel Zeit investieren müssen neben der Schule/Ausbildung oder dem Arbeiten“.

11 Vereine aus der höchsten Spielklasse treten in einer „wilden Liga“, der U 16 Girls Eliteliga, seit kurzem bundesweit gegeneinander an, wäre das Deiner Ansicht ein guter Ansatz, die größten Talente frühzeitig für höhere Aufgaben vorbereiten?

„Von der neugegründeten U16 Eliteliga habe ich gelesen, aber noch keine Spiele gesehen. Fakt ist, dass uns speziell im Übergang zum Erwachsenenfußball viele Fußballerinnen verloren gehen, weil es zu wenige Möglichkeiten gibt, Fußball zu spielen, rein aus dieser Tatsache heraus ist jede Form des Wettkampfes zu begrüßen. Strukturell wäre es aber notwendig, den österreichischen Frauenfußball von oben weg zu evaluieren und gegebenenfalls die Strukturen nach unten hin gesamtheitlich anzupassen. Denn neben dem Thema, dass wir mehr Mädchen für den Fußball begeistern müssen, müssen Maßnahmen gesetzt werden, die die Drop Out Quote größtmöglich minimiert“.

Was sind Deine Pläne oder Wünsche für Deine sportliche Zukunft?

„Gerade genieße ich, wie alles bei mir läuft, in wie vielen unterschiedlichen Projekten ich eingebunden werde und welch facettenreiche Aufträge ich erhalte. Grundsätzlich bin ich für sehr vieles offen. Für einen neuen Trainerjob muss für mich aber vieles zusammenpassen, weil ich schon gewisse Ansprüche hinsichtlich professioneller Rahmenbedingungen für Spielerinnen und BetreuerInnen habe. Mein Motto ist, dass ich nichts erzwingen will und bei Allem, was ich in Zukunft tue, ein gutes Bauchgefühl haben möchte“.

Dafür wünsche ich sehr viel Glück und Erfolg und bedanke mich ganz herzlich für Deine klaren Ausführungen!

Helmut Pichler